Donnerstag, 14. Februar 2013

LGZ WIEN vom 9.2.2006 mit GZ 36 R 27/06 x

ECHTER   VERTRAG   ZUGUNSTEN    DRITTER   oder  doch  "nur"     VORVERTRAG   mit   UNMITTELBAREM   KONTRAHIERUNGSZWANG   gegenüber dem   ZUGEWIESENEN   DRITTEN ?

          In der FamZ  vom November  2006  auf den S. 208 bis 210  findet sich eine höchst wertvolle Glosse von  Felicitas   PARAPATITS  bezüglich der obzit.  Entscheidung  des LGZ Wien  vom 9. Februar  2006  unter  Aktenzahl  36 R 27/06 x    -    eine rechtsdogmatische Köstlichkeit der absoluten Sonderklasse !  Wegen der besonderen Bedeutung   für die anhängige  rechtsdogmatische Abklärung des aktuellen Bewohner - Status von  WOLFGANG S. ist es notwendig, den gesamten Artikel hier vollständig und wörtlich wiederzugeben.

  "LEISTUNGSVERTRAG   zwischen   ÖFFENTLICHEM   LEISTUNGSTRÄGER   und   EINRICHTUNGSTRÄGER    einer    BEHINDERTENEINRICHTUNG    als   ECHTER   VERTRAG  (VORVERTRAG)    ZUGUNSTEN   DRITTTER   zu   QUALIFIZIEREN.

                Sind die von einer Behinderteneinrichtung zu erbringenden Leistungen  und die vom Behinderten dafür an den öffentlichen Leistungsträger zu entrichtenden Kostenbeiträge  gesetzlich genau geregelt, so kann der Einrichtungsträger aufgrund privatrechtlicher Vereinbarung mit dem Behinderten lediglich für vom Gesetz  nicht erfaßte  Zusatzleistungen ein über den Kostenbeitrag hinausgehendes Entgelt verlangen, selbst wenn der Kostenbeitrag den getätigten Aufwand  nur anteilig deckt.  Der Leistungsvertrag zwischen dem öffentlichen Leistungsträger und dem Einrichtungsträger  wird als echter Vertrag zugunsten Dritter  oder als echter  Vorvertrag  zugunsten Dritter zu qualifizieren sein.

                  Das Erstgericht hat in diesem Zusammenhang festgestellt, daß alle von der Klägerin  erbrachten Leistungen durch den von der Stadt Wien an die klagende Partei  geleisteten Tagsatz  umfaßt sind, wobei dieser allerdings nicht  kostendeckend ist  und daher dieser Aufwand nur anteilig befriedigt wird............so ist unschwer zu gewinnen,  daß nicht die  ZUWEISUNG   des Heimplatzes bei der Klägerin  durch die MA 12  erfolgte, sondern diese lediglich  RECHTSGRUNDLAGE  für die in weiterer Folge zu treffende privatrechtliche Vereinbarung zwischen der Klägerin und der Beklagten bzw deren Sachwalter ist ...Im vorliegenden Fall  war die Beklagte  -  unstrittig  -  zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses mit der Klägerin bzw  ihres Einzuges in die Einrichtung der Klägerin im Jahre  2000 nicht ausreichend geschäftsfähig, um eine Vereinbarung über die Bezahlung von   HAUSHALTSBEITRÄGEN  einzugehen. Wie das Erstgericht  vollkommen zutreffend rechtlich hervorgehoben hat, kann aus den Zahlungen der  HHB  für die Monate Oktober bis Dezember  2003 bzw aus der unterbliebenen Einstellung der Zahlungen für diese Monate keine schlüssige Willenserklärung der Sachwalterin abgeleitet werden.  Immerhin gab es zu diesem Zeitpunkt bereits ein Schreiben der Beklagten  an die Klägerin vom 21.10.2003,  sowie eine Unterredung mit einem Mitarbeiter der Klägerin....

          Wenn die Berufungswerberin vermeint, daß der Sachwalter sich nicht einzelne Teile des zwischen der Klägerin und der Beklagten abgeschlossenen Vertrages bei Genehmigung dessen  herauspicken könne,  übersieht sie,  daß die Klägerin bereits nach dem zwischen ihr und der Stadt Wien abgeschlossenen Leistungsvertrag  verpflichtet ist, die in diesem Umfang vom  WBHG  vorgesehenen  "Maßnahmen"  zu erbringen.  Insofern ist dieser Vertrag  als echter Vertrag  zugunsten Dritter zu qualifizieren.  Aus ihm heraus entsteht dem Behinderten  ein direktes Forderungs- und Erfüllungsrecht etwa auf Hilfe zur Unterbringung iSd § 24 WBHG. Allenfalls könnte man den zwischen der Klägerin und der Stadt Wien abgeschlossenen Vertrag  als echten  Vorvertrag  zugunsten Dritter werten, wobei eben darin  ein Kontrahierungszwang als vereinbart gesehen werden muß.  Der Behinderte könnte danach  grundsätzlich den Abschluß   eines Unterbringungsvertrages  einfordern.

           Auf Grund des Bescheides der MA 12 vom 16.11.1999 wurde der Beklagten gemäß dem § 24 WBHG die Hilfe zur Unterbringung  nach Maßgabe der von der MA 12 bewilligten Anzahl von Plätzen gewährt.  Hierzu sei erwähnt, daß § 43 WBHG  auch zur Maßnahme der Hilfe zur Unterbringung nach § 24 WBHG  einen gewissen genau determinierten Kostenbeitrag vorsieht, der allerdings in besonderen sozialen Härtefällen entfallen kann,  wenn durch die Leistung des Kostenbeitrages der Erfolg der Maßnahme in Frage gestellt wäre.     

            Bei berechtigter Inanspruchnahme der Einrichtungen der Klägerin durch den Behinderten darf davon ausgegangen werden, daß dem Behinderten die entsprechende Hilfe zur Bewältigung des täglichen Lebens zuteil wird und die Klägerin die von ihr dabei zu erbringenden Dienste nicht ohne Entgelt  bzw Aufwandersatz tun will.  Geht man nun davon aus , daß im Vertrag zwischen der Klägerin und der Stadt Wien ein echter Vertrag zugunsten Dritter  zu erblicken ist, dann finden die im Rahmen des § 24 WBHG  erbrachten Leistungen bereits darin ihre rechtliche Deckung, ohne daß es  -  wie  hier  -  einer (nachträglichen)  Genehmigung durch den Sachwalter bedurft hätte. Gleichzeitig ist aber die Klägerin  wiederum berechtigt,  einen entsprechenden vertraglich vereinbarten Aufwandersatz gegenüber der Stadt Wen geltend zu machen.

      Qualifiziert man den Leistungsvertrag zwischen der Klägerin und der Stadt Wien  bloß als echten  Vorvertrag zugunsten Dritter , dann wäre der daran anknüpfende Unterbringungsvertrag  mangels geeigneter Geschäftsfähigkeit  der Beklagten durch den Sachwalter noch zu genehmigen.  Die Berufungswerberin gesteht selbst zu, daß die Sachwalterin im vorliegenden Fall die weitere Unterbringung der Beklagten in den Einrichtungen der Klägerin wünschte.  Inhalt dieses  Unterbringungsvertrages  kann jedoch, was den Aufwandersatz anlangt, nur sein,  daß allenfalls der Behinderte Leistungen zu  vergüten hat, die nicht durch das  WBHG  gedeckt sind, sondern darüber hinaus angeboten und angenommen werden.  Daß eine über die gesetzliche , in § 43 WBHG  geregelte  hinausgehende Kostenbeitragspflicht  des Behinderten im Unterbringungsvertrag  ausdrücklich vereinbart worden wäre, wurde nicht behauptet.

          Wenn die Klägerin ihre Klagsforderung auf bereicherungsrechtliche Überlegungen stützt, so ist ihr entgegenzuhalten, daß  -  wie nach ihrem eigenen Vorbringen  -  alle von ihr erbrachten Leistungen   vom Leistungsvertrag der Klägerin und der Stadt Wien umfaßt sind und demzufolge, da die Vermögensverschiebung  im vertraglichen Verhältnis zu einem Dritten ihren ausreichenden Rechtsgrund findet, ein  Versionsanspruch  ausscheidet."

                Dazu lieferte  Felicitas   PARAPATITS   folgende  interssante  " ANMERKUNG :  Zunächst stellt das LGZ Wien  im Urteil klar, daß der Bescheid zur Zuweisung eines Heimplatzes nur Rechtsgrundlage für eine unabhängige privatrechtliche Vereinbarung  zwischen Heimträger und Heimbewohner ist. (vergleiche dazu auch im nächsten Heft  ZIERL :  Zur Anwendung des Heimvertragsgesetzes auf Behinderteneinrichtungen)

                 Die Zahlungen der Stadt Wien für die Erbringung der gesetzlich festgeschriebenen Leistungen durch den Heimträger und die Leistungen selbst finden schon in dem zwischen diesen Parteien geschlossenen Vertrag ihre Deckung. Auch wenn die Pflegeleistungen an den Heimbewohner ohne einen gültigen zivilrechtlichen Vertrag zwischen diesem und dem Heimträger erbracht wurden, hat der Heimträger Anspruch auf eine Vergütung durch die Stadt Wien. 

               Handelte es sich bei dem Vertrag zwischen Leistungsträger und Stadt Wien  nur um einen Vorvertrag zugunsten Dritter, dann wäre dieser Vorvertrag nur auf den Abschluß eines Unterbringungsvertrages  bestimmten Inhalts zwischen Heimträger und Heimbewohner gerichtet.  Die Leistungen des Heimträgers  könnte der Heimbewohner aufgrund des Vorvertrages zunächst nicht  fordern.  Er müßte zuerst auf den Abschluß  des Hauptvertrages dringen.  Zumindest konkludent würde in diesem Fall aber wohl schon mit  der  Heimaufnahme ein Unterbringungsvertrag abgeschlossen werden Ist  der Heimbewohner  zu diesem Zeitpunkt geschäftsunfähig, so wäre dieser Vertrag allerdings  bloß schwebend unwirksam.  Bis zu dessen Genehmigung  durch den Sachwalter  bestünde keine Leistungspflicht  des Heimträgers. Daher ist mE der Qualifikation als echter Vertrag zugunsten Dritter  der Vorzug zu geben, da dem Heimbewohner daraus ein sofortiges Forderungsrecht  auf die Unterbringungsleistungen entsteht  und er nicht den  Umweg über die Forderung nach Vertragsabschluß gehen müßte.  Diese Variante erscheint mir in Anbetracht  der Wahrung des Wohles des Behinderten  erstrebenswerter.  Für die Annahme eines  echten, und nicht bloß eines unechten Vertrages zugunsten Dritter spricht § 881 Abs. 2  letzter Satz ABGB, der besagt, daß im Zweifel der Dritte ein unmittelbares Recht  darauf erwirbt, die Erfüllung zu fordern, wenn die Leistung hauptsächlich  ihm zum Vorteil gereichen soll, was in der vorliegenden Konstellation sicherlich der Fall ist.

           Bei der Frage, ob  Leistungen vom Behinderten zu bezahlen sind, die schon vom Vertrag zwischen  öffentlichem Leistungsträger  und Heimträger erfaßt sind, handelt es sich nicht nur um ein Problem der Vertragsauslegung ,  sondern auch um eine Frage der prinzipiellen Zulässigkeit  der doppelten Bezahlung der gleichen Leistung.  Überlegenswert ist es, ob diese nicht schon gem. § 879 ABGB gesetz- und insgesamt sittenwidrig ist (Vgl.  GANNER : Spezielle Fragen des Heimvertragsrechts, FamZ 2006, 16) "
                                                          #   Zitat   Ende   #

            Diese  etwas komplizierten Ausführungen  aus dem Jahre 2006  beleuchten dramatisch  die grundsätzliche Rechtsunsicherheit  auf allen 3 Seiten über die eigentliche Rechtsnatur  eines Heimeintrittes, eines Heimaufenthaltes und der damit einhergehenden rechtsdogmatischen Überlegungen bezüglich  der verschiedenen Aspekte des  K O N T R A K T E S :    Bis heute hat sich der Nebel über diesen  Dingen nicht gelichtet,  im Bereich der Behindertenunterbringung  eher sogar noch verdichtet durch die katastrophalen durchaus oligophrenen   PARALOGISMEN  des OGH,  wie hier im Blog schon ausführlich genug dargelegt. Uns hilft jetzt nur mehr eine eindeutige authentische Interpretation  der gesetzgebenden Körperschaft Nationalrat,  mit der die kontraktmäßigen Folgen jedes einzelnen Heimeintrittes einer volljährigen Person  ex lege  verdeutlicht werden. 

http://enthinderungsexperte.blogspot.co.at/2012/11/wer-liefert-die-authentische.htm

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