http://www.gerichte.lu.ch/printCss/index/rechtsprechung/rechtsprechung_detail.htm?noprint=yes&id=10045
http://www.polyreg.ch/d/informationen/bgeunpubliziert/Jahr_2012/Entscheide_4A_2012/4A.176__2012.html
OBERGERICHT LUZERN KONSTATIERT VERWALTUNGSRECHTLICHEN HEIMVERTRAG !
LEITSATZ : " Der Bewohnervertrag eines Altersheims, dessen Trägerschaft eine im Besitz der Gemeinde stehende AG ist, untersteht dem öffentlichen Recht. Der Zivilrichter ist daher nicht zuständig, über die anbegehrte AUSWEISUNG im Verfahren betreffend Rechtsschutz in klaren Fällen zu befinden ."
Diese Entscheidung ist rechtskräftig. Das Bundesgericht in Lausanne hat die dagegen erhobene Beschwerde in Zivilsachen am 28.August 2012 abgewiesen ( 4 A 176/2012)
X. lebt im Betagtenzentrum A. Betreiberin dieses Zentrums ist die Y.AG, eine im Eigentum der Einwohnergemeinde B. stehende Aktiengesellschaft , welche in Erfüllung öffentlicher Aufgaben die stationäre Altersbetreuung im Auftrag der Gemeinde bezweckt und wahrnimmt. Der Gemeinderat von B. ordnete über X. eine Vertretungs- und Verwaltungsbeistandschaft an und übertrug dem Beistand u.a. die Aufgabe, für X. eine geeignete Wohnform zu suchen . Die Y. AG kündigte X. den Bewohnervertrag . X. focht diese Kündigung bei der Schlichtungsbehörde für Miete und Pacht an. Diese trat auf das Begehren nicht ein mit der Begründung, der Bewohnervertrag weise zwar mietrechtliche Komponenten auf . Da soziale und medizinische Aspekte dominierten, liege aber kein Mietvertrag nach OR vor. Die Y. AG gelangte daraufhin an das Bezirksgericht. Dieses ging von einer klaren Sach- und Rechtslage aus und hiess das Begehren um Ausweisung von X. aus dem Heim gut. Eine dagegen von X. erhobene Berufung wurde vom Obergericht gutgeheissen .
AUS DEN ERWÄGUNGEN :
5. - Der Gesuchsgegner verlangt in allgemeiner Form eine " Überprüfung der Situation ", was an sich keine ausreichende Auseinandersetzung mit dem angefochtenen Entscheid darstellt. Der Eingabe des Gesuchsgegners lässt sich immerhin entnehmen, dass er die gegen ihn verfügte Ausweisung aus dem Altersheim nicht gelten lassen will, also deren Aufhebung beantragt.
Unabhängig davon, ob die Berufung nach zivilprozessualen Grundsätzen ausreichend begründet ist oder nicht, prüft das Gericht seine sachliche Zuständigkeit als Prozessvoraussetzung von Amtes wegen. Fraglich ist hier insbesondere, ob überhaupt eine zivilrechtliche Streitigkeit vorliegt. Dies deshalb, weil es sich bei der Gesuchstellerin um eine Institution handelt, die in Erfüllung öffentlicher Aufgaben der Einwohnergemeinde B. die stationäre Altersbetreuung im Auftrag der Gemeinde B. bezweckt und wahrnimmt.
6. - Vorab ist somit zu klären, ob ein zivilrechtliches oder ein öffentlich - rechtliches Rechtsverhältnis vorliegt. Die Abgrenzung bundesprivatrechtlicher Streitigkeiten von öffentlich - rechtlichen ist kasuistisch geprägt. Es sind dafür verschiedene Theorien entwickelt worden, deren grundsätzliche Abgrenzungskriterien sich nicht ausschliessen und im konkreten Fall nach ihrer Eignung angewandt werden. . In Betracht fallen die auch Subjektionstheorie genannte Subordinationstheorie, die das Gewicht auf die Gleich- oder Unterordnung der Beteiligten bzw. die Ausübung von hoheitlichem Zwang legt ; daneben werden aber auch die Interessen - und Funktionstheorie herangezogen, die danach unterscheiden, ob private oder öffentliche Interessen verfolgt bzw. öffentliche Aufgaben erfüllt werden. Bei der Anwendung dieser Kriterien ist dem Umstand Rechnung zu tragen, dass der Unterscheidung zwischen privatem und öffentlichem Recht ganz verschiedene Funktionen zukommen, je nach den Regelungsbedürfnissen und den Rechtsfolgen, die im Einzelfall in Frage stehen. Es stellt sich somit die Frage , ob die Vertragsbeziehung der Parteien dem privat - oder dem öffentlich - rechtlichen Bereich zuzuordnen ist .
6. 1 Gemäss der bundesgerichtlichen Rechtsprechung gelten zur Abgrenzung, ob die Beziehungen zwischen Anstalt und Benützer dem öffentlichen Recht oder dem Zivilrecht unterliegen, folgende Zuordnungskriterien : Öffentlich - rechtlicher Natur ist die Beziehung, wenn durch sie ein besonderes Gewaltverhältnis begründet wird, kraft dessen die Anstalt dem Benützer gegenüber mit obrigkeitlicher Gewalt ausgestattet ist, was in jedem Einzelfall anhand der konkreten Ausgestaltung der Benützungsordnung zu entscheiden ist. Als Gesichtspunkte gelten dabei insbesondere die unmittelbare Verfolgung öffentlicher Zwecke und Aufgaben, im Vergleich zu denen die Absicht auf Erzielung eines Gewinns von untergeordneter Bedeutung erscheint, sowie die einseitige , unabänderliche Regelung der Anstaltsbenützung durch Gesetz oder Verwaltungsverordnung , im Gegensatz zur freien Bestimmbarkeit der gegenseitigen Beziehungen der Beteiligten auf dem Boden der Gleichberechtigung . Zivilrechtlicher Natur ist das Benützungsverhältnis nur in jenen Fällen, in denen die Benützungsordnung es gestattet, wesentliche Einzelheiten des Bezugs, insbesondere das Entgelt, durch besondere Vereinbarung zwischen der Anstalt und dem Bezüger von Fall zu Fall verschieden zu gestalten, wobei die Einigung durch Unterhandlungen mit gegenseitigem Vor - und Nachgeben herbeigeführt wird. Dass die Gesuchstellerin mit der stationären Altersbetreuung eine öffentliche Aufgabe wahrnimmt, wurde bereits ausgeführt .
6. 2 Nach § 69 Abs. 1 des Sozialhilfegesetzes (SRL Nr. 892 ) gehört es zu den öffentlichen Aufgaben in der Altersbetreuung, dass die Gemeinden für ein angemessenes ambulantes und stationäres Angebot für die Unterkunft, Betreuung und Pflege von Betagten und Pflegebedürftigen sorgen. In der Gemeinde B. wird diese Aufgabe von der Gesuchstellerin in Erfüllung öffentlicher Aufgaben im Auftrag der Gemeinde B. wahrgenommen. Sie hat im Rahmen der Bestimmungen ihrer Statuten gemeinnützigen Charakter und verfolgt nebst der Sicherung und Erhaltung der eigenen Betriebe keine weiteren Gewinnabsichten. Die Aktien der Gesuchstellerin befinden sich denn auch zu 100 Prozent im Eigentum der Einwohnergemeinde B. Gegenstand des zwischen den Parteien abgeschlossenen Bewohnervertrags ist die Pension, Pflege und Betreuung des Gesuchgegeners im Betagtenzentrum Y. Hinsichtlich des Aufenthaltes im Betagtenzentrum Y. besteht weder ein Recht auf ein bestimmtes Zimmer, noch ein Verhandlungsspielraum bezüglich des zu bezahlenden Entgelts, da die Taxordnung integrierender Bestandteil des Heimvertrages bildet, welche vom Verwaltungsrat der Gesuchstellerin in Kraft gesetzt und jährlich angepasst wird .
6 . 3 Mit der Aufnahme in das Betagtenzentrum Y. entstand somit - ähnlich wie beim Eintritt in ein Spital - ein öffentlichrechtliches Benützungsverhältnis zwischen den Parteien . Dass die Gesuchstellerin als privatrechtliche Aktiengesellschaft organisiert ist, ändert daran nichts. Ein solches Benützungsverhältnis ( auch Anstaltsverhältnis oder Sonderstatusverhältnis genannt ), wird normalerweise durch Verfügung begründet. Ein verwaltungsrechtlicher Vertrag kommt dort zum Zuge, wo er seiner Struktur nach geeignet erscheint bzw. erforderlich ist, um eine Verwaltungsaufgabe optimal zu erfüllen. Bei einem Bewohnervertrag zwischen einem von der Gemeinde getragenen Altersheim und seinen Bewohnern bestehen sachliche Gründe, welche die Vertragsform geeigneter als eine Verfügung erscheinen lassen, zumal der Aufenthalt in einer solchen Institution das konstitutive Einverständnis der Bewohner voraussetzt . Zudem bleibt mit der vertraglichen Form ihre Autonomie und Würde gewahrt. Deshalb ist von einem vertraglichen Verhältnis auszugehen und nicht von einem hoheitlichen. Die Beurteilung des öffentlich - rechtlichen Verhältnisses bzw, des verwaltungsrechtlichen Vertrags zwischen den Parteien fällt nicht in die Zuständigkeit der Zivilgerichte. Auf das Ausweisungsgesuch im Verfahren nach Art. 257 CH - ZPO kann demnach NICHT EINGETRETEN WERDEN . ( Art. 1 lit a , 59 Abs. 1 ZPO ) .
7 . - Selbst wenn man von einem privatrechtlichen Rechtsverhältnis ausginge - was nach dem Gesagten nicht der Fall ist - wäre dem Ausweisungsgesuch kein Erfolg beschieden.
Wie sich aus den Akten ergibt, ist dem Gesuchsgegener von der Vormundschaftsbehörde ein Beistand bestellt worden, dessen ausdrückliche Aufgabe u.a. darin besteht, für den Gesuchsgegner eine geeignete Wohnform zu finden. Der Vollzug des Ausweisungsbefehls würde voraussetzen, dass für den Gesuchsgegner ein solcher Platz gefunden worden wäre. Denn es blieb unbestritten , dass der Gesuchsgegener alters - und krankheitsbedingt nicht in der Lage ist, selbständig zu wohnen oder einen Haushalt zu führen und deswegen auf eine 24 - stündige Betreuung angewiesen ist . Die Ausweisung könnte somit ohne Zusammenarbeit mit der zuständigen Vormundschaftsbehörde bzw. mit dem bestellten Beistand nicht vollstreckt werden. Diese im speziellen Fall notwendige Zusammenarbeit mit der Vormundschaftsbehörde schliesst aber den Rechtsschutz in klaren Fällen aus, weil das Vormundschaftsrecht, obwohl im ZGB geregelt und damit äusserlich ( formell ) dem Privatrecht angehörend, der Sache nach ( materiell ) öffentliches Recht darstellt und im Bereich des Vormundschaftsrechts die Offizialmaxime gilt. Zudem wird das Befehlsverfahren in der kantonalen Praxis als unzulässig abgelehnt, wenn die Vollstreckung von vornherein ausgeschlossen werden kann , was hier der Fall ist. Überdies hat der Staat mit einer angemessenen Gesundheitsversorgung dafür zu sorgen, dass kranke Menschen behandelt und gepflegt werden können, wobei die Schutzpflicht gegenüber Pflegebedürftigen, die sich in Heimen, Spitälern und Kliniken in staatlicher Obhut befinden, besonders gross ist. Mit dieser Schutzpflicht nicht zu vereinbaren wäre, den offensichtlich kranken, auf Hilfe angewiesenen Gesuchsgegner aus seinem Zimmer im Heim wegzuweisen. Auf das Ausweisungsgesuch wäre daher auch aus diesem Grund NICHT EINZUTRETEN . " # ZITAT ENDE #
Diese sicherlich geradezu epochale Entscheidung des kantonalen Zivil - Obergerichtes Luzern hat in der Schweiz natürlich gehörig für Aufregung gesorgt, insbesondere bei den Betreibern von gemeindeeigenen Seniorenheimen. Bislang ist hier im wilden Ösistan noch keinerlei Reaktion der Fachwelt bekannt geworden, möglicherweise haben das die sogenannten Fachgelehrten bislang verschlafen - sie mögen endlich vom Schlafe aufwachen und sich den aufgeworfenen Streitfragen öffentlich stellen ! Es steht also erneut zur Debatte die eigentliche Rechtsnatur des Heimvertrages etc. in Einrichtungen, die erkennbarerweise hoheitliche , insbesondere sozialrechtliche Pflichtaufgaben erfüllen, auch wenn sie angeblich " privatrechtlich " organisiert sind .
Unser OGH war erstmals befasst mit diesen Fragen anlässlich der Entscheidung zur GZ 6 Ob 247/97 k vor 17 Jahren und hatte offensichtlich keinerlei Bedenken bezüglich der zivilrechtlichen Natur des Altenheimvertrages :
https://www.ris.bka.gv.at/Dokument.wxe?Abfrage=Justiz&Dokumentnummer=JJR_19971016_OGH0002_0060OB00247_97K0000_001
Und dann kam das Heimvertragsgesetz 2004 mit einer höchst problematischen gewaltsamen Einfügung ins Konsumentenschutzgesetz mit allen nur erdenklichen Folgen ! Die gesamte Judikatur des Wiener OGH in diesen Fragen ist seither in sich sehr widersprüchlich und schlichtweg eine Katastrophe. Während sich im Bereich Wien massive Konflikte um sogenannte " Haushaltsbeiträge " auftaten, die bis heute nicht gelöst werden konnten, verweigern bis heute diverse vollstationäre Einrichtungen der landesrechtlichen Behindertenhilfe überhaupt jedwedes Vertragsverhältnis zu den zugewiesenen Klienten und " begnügen " sich also mit den verwaltungsrechtlichen Verfügungen in Form eines Bescheides.
Auf der anderen Seite rebellieren diverse private Einrichtungsträger gegen die diktatorische Festsetzung angeblich nicht kostentragender Tagsätze bis zur Existenzgefährdung und prozessieren " zivilrechtlich " gegen die " hoheitliche " Vorgangsweise auf der anderen Vertragsseite. Die nun hoffentlich bald bekannt werdende 6. und sicherlich endgültige Gerichtsentscheidung in Sachen " Chance B " gegen Land Steiermark kann wohl nur lauten : " Unzuständigkeit der ordentlichen Zivil - Gerichtsbarkeit und somit Nichtigkeit des gesamten bisherigen Verfahrens " !
https://www.ris.bka.gv.at/Dokument.wxe?Abfrage=Justiz&Dokumentnummer=JJT_20121217_OGH0002_0040OB00134_12B0000_000
Während also in Deutschland nach jahrelangen intensiven Debatten das WBVG 2009 eine eindeutige und endgültige Klarstellung in Richtung Zivilrecht gebracht hat auch in sämtlichen Betreuungsformen gegenüber volljährigen Behinderten, bleibt hierzulande in der Mehrzahl der Bundesländer nach wie vor völlig ungeklärt, ob verwaltungsrechtlich zugewiesene Klienten der Behindertenhilfe auch einen privatrechtlichen Status in Anspruch nehmen können in Form eines zivilrechtlichen Vertrages . Oder kommt es nun auch bei uns zur justizgerichtlichen Feststellung verwaltungsrechtlicher Vertragsverhältnisse mit den Konsequenzen, dass sich die Zuständigkeit der neuen Verwaltungsgerichtsbarkeit ergibt ??? Das kann noch sehr spannend werden !
Gemäß neuester Judikatur unseres OGH in Haftungssachen im Bereich der landesrechtlichen Behindertenhilfe handeln grundsätzlich sämtliche Bedienstete und Beauftragte von privaten Einrichtungen bei allen Handlungen, Duldungen & Unterlassungen trotzdem als " ORGANE " des jeweiligen Bundeslandes mit voller Amtshaftung des Landes im Allgemeinen , weil sie ausschließlich hoheitliche Pflichtaufgaben im Sozialbereich durchführen , insoferne nicht die Amtshaftung des Bundes nach § 24 des Heimaufenthaltsgesetzes schlagend wird !
https://www.ris.bka.gv.at/Dokument.wxe?Abfrage=Justiz&Dokumentnummer=JJT_20130411_OGH0002_0010OB00019_13W0000_000
VERWALTUNGSRECHTLICHE VERTRÄGE ERZWINGEN DIE ZUSTÄNDIGKEIT DER VERWALTUNGSGERICHTSBARKEIT !
zuletzt geändert : 5. Mai 2014
http://www.polyreg.ch/d/informationen/bgeunpubliziert/Jahr_2012/Entscheide_4A_2012/4A.176__2012.html
OBERGERICHT LUZERN KONSTATIERT VERWALTUNGSRECHTLICHEN HEIMVERTRAG !
LEITSATZ : " Der Bewohnervertrag eines Altersheims, dessen Trägerschaft eine im Besitz der Gemeinde stehende AG ist, untersteht dem öffentlichen Recht. Der Zivilrichter ist daher nicht zuständig, über die anbegehrte AUSWEISUNG im Verfahren betreffend Rechtsschutz in klaren Fällen zu befinden ."
Diese Entscheidung ist rechtskräftig. Das Bundesgericht in Lausanne hat die dagegen erhobene Beschwerde in Zivilsachen am 28.August 2012 abgewiesen ( 4 A 176/2012)
X. lebt im Betagtenzentrum A. Betreiberin dieses Zentrums ist die Y.AG, eine im Eigentum der Einwohnergemeinde B. stehende Aktiengesellschaft , welche in Erfüllung öffentlicher Aufgaben die stationäre Altersbetreuung im Auftrag der Gemeinde bezweckt und wahrnimmt. Der Gemeinderat von B. ordnete über X. eine Vertretungs- und Verwaltungsbeistandschaft an und übertrug dem Beistand u.a. die Aufgabe, für X. eine geeignete Wohnform zu suchen . Die Y. AG kündigte X. den Bewohnervertrag . X. focht diese Kündigung bei der Schlichtungsbehörde für Miete und Pacht an. Diese trat auf das Begehren nicht ein mit der Begründung, der Bewohnervertrag weise zwar mietrechtliche Komponenten auf . Da soziale und medizinische Aspekte dominierten, liege aber kein Mietvertrag nach OR vor. Die Y. AG gelangte daraufhin an das Bezirksgericht. Dieses ging von einer klaren Sach- und Rechtslage aus und hiess das Begehren um Ausweisung von X. aus dem Heim gut. Eine dagegen von X. erhobene Berufung wurde vom Obergericht gutgeheissen .
AUS DEN ERWÄGUNGEN :
5. - Der Gesuchsgegner verlangt in allgemeiner Form eine " Überprüfung der Situation ", was an sich keine ausreichende Auseinandersetzung mit dem angefochtenen Entscheid darstellt. Der Eingabe des Gesuchsgegners lässt sich immerhin entnehmen, dass er die gegen ihn verfügte Ausweisung aus dem Altersheim nicht gelten lassen will, also deren Aufhebung beantragt.
Unabhängig davon, ob die Berufung nach zivilprozessualen Grundsätzen ausreichend begründet ist oder nicht, prüft das Gericht seine sachliche Zuständigkeit als Prozessvoraussetzung von Amtes wegen. Fraglich ist hier insbesondere, ob überhaupt eine zivilrechtliche Streitigkeit vorliegt. Dies deshalb, weil es sich bei der Gesuchstellerin um eine Institution handelt, die in Erfüllung öffentlicher Aufgaben der Einwohnergemeinde B. die stationäre Altersbetreuung im Auftrag der Gemeinde B. bezweckt und wahrnimmt.
6. - Vorab ist somit zu klären, ob ein zivilrechtliches oder ein öffentlich - rechtliches Rechtsverhältnis vorliegt. Die Abgrenzung bundesprivatrechtlicher Streitigkeiten von öffentlich - rechtlichen ist kasuistisch geprägt. Es sind dafür verschiedene Theorien entwickelt worden, deren grundsätzliche Abgrenzungskriterien sich nicht ausschliessen und im konkreten Fall nach ihrer Eignung angewandt werden. . In Betracht fallen die auch Subjektionstheorie genannte Subordinationstheorie, die das Gewicht auf die Gleich- oder Unterordnung der Beteiligten bzw. die Ausübung von hoheitlichem Zwang legt ; daneben werden aber auch die Interessen - und Funktionstheorie herangezogen, die danach unterscheiden, ob private oder öffentliche Interessen verfolgt bzw. öffentliche Aufgaben erfüllt werden. Bei der Anwendung dieser Kriterien ist dem Umstand Rechnung zu tragen, dass der Unterscheidung zwischen privatem und öffentlichem Recht ganz verschiedene Funktionen zukommen, je nach den Regelungsbedürfnissen und den Rechtsfolgen, die im Einzelfall in Frage stehen. Es stellt sich somit die Frage , ob die Vertragsbeziehung der Parteien dem privat - oder dem öffentlich - rechtlichen Bereich zuzuordnen ist .
6. 1 Gemäss der bundesgerichtlichen Rechtsprechung gelten zur Abgrenzung, ob die Beziehungen zwischen Anstalt und Benützer dem öffentlichen Recht oder dem Zivilrecht unterliegen, folgende Zuordnungskriterien : Öffentlich - rechtlicher Natur ist die Beziehung, wenn durch sie ein besonderes Gewaltverhältnis begründet wird, kraft dessen die Anstalt dem Benützer gegenüber mit obrigkeitlicher Gewalt ausgestattet ist, was in jedem Einzelfall anhand der konkreten Ausgestaltung der Benützungsordnung zu entscheiden ist. Als Gesichtspunkte gelten dabei insbesondere die unmittelbare Verfolgung öffentlicher Zwecke und Aufgaben, im Vergleich zu denen die Absicht auf Erzielung eines Gewinns von untergeordneter Bedeutung erscheint, sowie die einseitige , unabänderliche Regelung der Anstaltsbenützung durch Gesetz oder Verwaltungsverordnung , im Gegensatz zur freien Bestimmbarkeit der gegenseitigen Beziehungen der Beteiligten auf dem Boden der Gleichberechtigung . Zivilrechtlicher Natur ist das Benützungsverhältnis nur in jenen Fällen, in denen die Benützungsordnung es gestattet, wesentliche Einzelheiten des Bezugs, insbesondere das Entgelt, durch besondere Vereinbarung zwischen der Anstalt und dem Bezüger von Fall zu Fall verschieden zu gestalten, wobei die Einigung durch Unterhandlungen mit gegenseitigem Vor - und Nachgeben herbeigeführt wird. Dass die Gesuchstellerin mit der stationären Altersbetreuung eine öffentliche Aufgabe wahrnimmt, wurde bereits ausgeführt .
6. 2 Nach § 69 Abs. 1 des Sozialhilfegesetzes (SRL Nr. 892 ) gehört es zu den öffentlichen Aufgaben in der Altersbetreuung, dass die Gemeinden für ein angemessenes ambulantes und stationäres Angebot für die Unterkunft, Betreuung und Pflege von Betagten und Pflegebedürftigen sorgen. In der Gemeinde B. wird diese Aufgabe von der Gesuchstellerin in Erfüllung öffentlicher Aufgaben im Auftrag der Gemeinde B. wahrgenommen. Sie hat im Rahmen der Bestimmungen ihrer Statuten gemeinnützigen Charakter und verfolgt nebst der Sicherung und Erhaltung der eigenen Betriebe keine weiteren Gewinnabsichten. Die Aktien der Gesuchstellerin befinden sich denn auch zu 100 Prozent im Eigentum der Einwohnergemeinde B. Gegenstand des zwischen den Parteien abgeschlossenen Bewohnervertrags ist die Pension, Pflege und Betreuung des Gesuchgegeners im Betagtenzentrum Y. Hinsichtlich des Aufenthaltes im Betagtenzentrum Y. besteht weder ein Recht auf ein bestimmtes Zimmer, noch ein Verhandlungsspielraum bezüglich des zu bezahlenden Entgelts, da die Taxordnung integrierender Bestandteil des Heimvertrages bildet, welche vom Verwaltungsrat der Gesuchstellerin in Kraft gesetzt und jährlich angepasst wird .
6 . 3 Mit der Aufnahme in das Betagtenzentrum Y. entstand somit - ähnlich wie beim Eintritt in ein Spital - ein öffentlichrechtliches Benützungsverhältnis zwischen den Parteien . Dass die Gesuchstellerin als privatrechtliche Aktiengesellschaft organisiert ist, ändert daran nichts. Ein solches Benützungsverhältnis ( auch Anstaltsverhältnis oder Sonderstatusverhältnis genannt ), wird normalerweise durch Verfügung begründet. Ein verwaltungsrechtlicher Vertrag kommt dort zum Zuge, wo er seiner Struktur nach geeignet erscheint bzw. erforderlich ist, um eine Verwaltungsaufgabe optimal zu erfüllen. Bei einem Bewohnervertrag zwischen einem von der Gemeinde getragenen Altersheim und seinen Bewohnern bestehen sachliche Gründe, welche die Vertragsform geeigneter als eine Verfügung erscheinen lassen, zumal der Aufenthalt in einer solchen Institution das konstitutive Einverständnis der Bewohner voraussetzt . Zudem bleibt mit der vertraglichen Form ihre Autonomie und Würde gewahrt. Deshalb ist von einem vertraglichen Verhältnis auszugehen und nicht von einem hoheitlichen. Die Beurteilung des öffentlich - rechtlichen Verhältnisses bzw, des verwaltungsrechtlichen Vertrags zwischen den Parteien fällt nicht in die Zuständigkeit der Zivilgerichte. Auf das Ausweisungsgesuch im Verfahren nach Art. 257 CH - ZPO kann demnach NICHT EINGETRETEN WERDEN . ( Art. 1 lit a , 59 Abs. 1 ZPO ) .
7 . - Selbst wenn man von einem privatrechtlichen Rechtsverhältnis ausginge - was nach dem Gesagten nicht der Fall ist - wäre dem Ausweisungsgesuch kein Erfolg beschieden.
Wie sich aus den Akten ergibt, ist dem Gesuchsgegener von der Vormundschaftsbehörde ein Beistand bestellt worden, dessen ausdrückliche Aufgabe u.a. darin besteht, für den Gesuchsgegner eine geeignete Wohnform zu finden. Der Vollzug des Ausweisungsbefehls würde voraussetzen, dass für den Gesuchsgegner ein solcher Platz gefunden worden wäre. Denn es blieb unbestritten , dass der Gesuchsgegener alters - und krankheitsbedingt nicht in der Lage ist, selbständig zu wohnen oder einen Haushalt zu führen und deswegen auf eine 24 - stündige Betreuung angewiesen ist . Die Ausweisung könnte somit ohne Zusammenarbeit mit der zuständigen Vormundschaftsbehörde bzw. mit dem bestellten Beistand nicht vollstreckt werden. Diese im speziellen Fall notwendige Zusammenarbeit mit der Vormundschaftsbehörde schliesst aber den Rechtsschutz in klaren Fällen aus, weil das Vormundschaftsrecht, obwohl im ZGB geregelt und damit äusserlich ( formell ) dem Privatrecht angehörend, der Sache nach ( materiell ) öffentliches Recht darstellt und im Bereich des Vormundschaftsrechts die Offizialmaxime gilt. Zudem wird das Befehlsverfahren in der kantonalen Praxis als unzulässig abgelehnt, wenn die Vollstreckung von vornherein ausgeschlossen werden kann , was hier der Fall ist. Überdies hat der Staat mit einer angemessenen Gesundheitsversorgung dafür zu sorgen, dass kranke Menschen behandelt und gepflegt werden können, wobei die Schutzpflicht gegenüber Pflegebedürftigen, die sich in Heimen, Spitälern und Kliniken in staatlicher Obhut befinden, besonders gross ist. Mit dieser Schutzpflicht nicht zu vereinbaren wäre, den offensichtlich kranken, auf Hilfe angewiesenen Gesuchsgegner aus seinem Zimmer im Heim wegzuweisen. Auf das Ausweisungsgesuch wäre daher auch aus diesem Grund NICHT EINZUTRETEN . " # ZITAT ENDE #
Diese sicherlich geradezu epochale Entscheidung des kantonalen Zivil - Obergerichtes Luzern hat in der Schweiz natürlich gehörig für Aufregung gesorgt, insbesondere bei den Betreibern von gemeindeeigenen Seniorenheimen. Bislang ist hier im wilden Ösistan noch keinerlei Reaktion der Fachwelt bekannt geworden, möglicherweise haben das die sogenannten Fachgelehrten bislang verschlafen - sie mögen endlich vom Schlafe aufwachen und sich den aufgeworfenen Streitfragen öffentlich stellen ! Es steht also erneut zur Debatte die eigentliche Rechtsnatur des Heimvertrages etc. in Einrichtungen, die erkennbarerweise hoheitliche , insbesondere sozialrechtliche Pflichtaufgaben erfüllen, auch wenn sie angeblich " privatrechtlich " organisiert sind .
Unser OGH war erstmals befasst mit diesen Fragen anlässlich der Entscheidung zur GZ 6 Ob 247/97 k vor 17 Jahren und hatte offensichtlich keinerlei Bedenken bezüglich der zivilrechtlichen Natur des Altenheimvertrages :
https://www.ris.bka.gv.at/Dokument.wxe?Abfrage=Justiz&Dokumentnummer=JJR_19971016_OGH0002_0060OB00247_97K0000_001
Und dann kam das Heimvertragsgesetz 2004 mit einer höchst problematischen gewaltsamen Einfügung ins Konsumentenschutzgesetz mit allen nur erdenklichen Folgen ! Die gesamte Judikatur des Wiener OGH in diesen Fragen ist seither in sich sehr widersprüchlich und schlichtweg eine Katastrophe. Während sich im Bereich Wien massive Konflikte um sogenannte " Haushaltsbeiträge " auftaten, die bis heute nicht gelöst werden konnten, verweigern bis heute diverse vollstationäre Einrichtungen der landesrechtlichen Behindertenhilfe überhaupt jedwedes Vertragsverhältnis zu den zugewiesenen Klienten und " begnügen " sich also mit den verwaltungsrechtlichen Verfügungen in Form eines Bescheides.
Auf der anderen Seite rebellieren diverse private Einrichtungsträger gegen die diktatorische Festsetzung angeblich nicht kostentragender Tagsätze bis zur Existenzgefährdung und prozessieren " zivilrechtlich " gegen die " hoheitliche " Vorgangsweise auf der anderen Vertragsseite. Die nun hoffentlich bald bekannt werdende 6. und sicherlich endgültige Gerichtsentscheidung in Sachen " Chance B " gegen Land Steiermark kann wohl nur lauten : " Unzuständigkeit der ordentlichen Zivil - Gerichtsbarkeit und somit Nichtigkeit des gesamten bisherigen Verfahrens " !
https://www.ris.bka.gv.at/Dokument.wxe?Abfrage=Justiz&Dokumentnummer=JJT_20121217_OGH0002_0040OB00134_12B0000_000
Während also in Deutschland nach jahrelangen intensiven Debatten das WBVG 2009 eine eindeutige und endgültige Klarstellung in Richtung Zivilrecht gebracht hat auch in sämtlichen Betreuungsformen gegenüber volljährigen Behinderten, bleibt hierzulande in der Mehrzahl der Bundesländer nach wie vor völlig ungeklärt, ob verwaltungsrechtlich zugewiesene Klienten der Behindertenhilfe auch einen privatrechtlichen Status in Anspruch nehmen können in Form eines zivilrechtlichen Vertrages . Oder kommt es nun auch bei uns zur justizgerichtlichen Feststellung verwaltungsrechtlicher Vertragsverhältnisse mit den Konsequenzen, dass sich die Zuständigkeit der neuen Verwaltungsgerichtsbarkeit ergibt ??? Das kann noch sehr spannend werden !
Gemäß neuester Judikatur unseres OGH in Haftungssachen im Bereich der landesrechtlichen Behindertenhilfe handeln grundsätzlich sämtliche Bedienstete und Beauftragte von privaten Einrichtungen bei allen Handlungen, Duldungen & Unterlassungen trotzdem als " ORGANE " des jeweiligen Bundeslandes mit voller Amtshaftung des Landes im Allgemeinen , weil sie ausschließlich hoheitliche Pflichtaufgaben im Sozialbereich durchführen , insoferne nicht die Amtshaftung des Bundes nach § 24 des Heimaufenthaltsgesetzes schlagend wird !
https://www.ris.bka.gv.at/Dokument.wxe?Abfrage=Justiz&Dokumentnummer=JJT_20130411_OGH0002_0010OB00019_13W0000_000
VERWALTUNGSRECHTLICHE VERTRÄGE ERZWINGEN DIE ZUSTÄNDIGKEIT DER VERWALTUNGSGERICHTSBARKEIT !
zuletzt geändert : 5. Mai 2014